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Die Motive und Dimensionen der Deklaration der neuen Hamas-Charta

بسم الله الرحمن الرحيم

Antwort auf eine Frage

Die Motive und Dimensionen der Deklaration der neuen Hamas-Charta

Frage:

Am 01.05.2017 gab die Hamas in Doha ihre Zustimmung zu einem palästinensischen Staat innerhalb der Grenzen von 1967 als eine „Formel des nationalen gemeinschaftlichen Konsenses“ bekannt und strich die Formulierung der „Auslöschung Israels“. Hamas sagte sich zudem von den Muslimbrüdern los. Dazu habe ich eine zweiteilige Frage:

Erstens: Steht die Bekanntgabe der neuen Charta mit Verhandlungen für eine Friedenslösung in Zusammenhang, die die neue US-Administration mitbringt?

Oder ist dieser „Paradigmenwechsel“, was die Zielsetzungen der Hamas betrifft, auf einen europäischen Einfluss zurückzuführen, unabhängig von der Linie der US-Politik?

Antwort:

Um die Motive und Dimensionen der Erklärung dieser Charta zu verstehen, die als „Charta der Prinzipien und der allgemeinen Politik der Hamas-Bewegung“ bezeichnet wird, sowie deren Verbindung zu Amerika und Europa, werden wir dies alles im Folgenden erörtern:

Erstens: Die Resultate der Zugeständnisse seitens der PLO, wobei sich die Hamas ihr nun anschloss

1. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), angebliche „Repräsentantin Palästinas“, hat 80 % des palästinensischen Bodens abgetreten und es damit gerechtfertigt, dafür einen Kleinstaat in den Grenzen von 1967 zu erhalten. Doch anstatt dass die Juden ihr dies mit der Anerkennung des Überbleibsels von Palästina (in den besetzten Gebieten von 1967) für die Palästinenser vergelten, haben sie im Gegenzug bloß die PLO anerkannt! Der Zionistenstaat sowie der Westen generell haben vielmehr die aus dem unsäglichen Osloer Abkommen hervorgegangene Entität - die „Palästinensische Autonomiebehörde“ – rasch und mit Erfolg in einen Sicherheitswachdienst für den Zionistenstaat verwandelt und eine Serie von verräterischen Abtretungen zugunsten einer angeblichen Friedenslösung folgen lassen.

Sowohl die USA als auch Europa wissen allerdings, dass die Weigerung des Zionistenstaates, jedes noch so kleine Zugeständnis zu machen – was stets mit dem Argument der Sicherheit begründet wird -, das Haupthindernis für die Realisierung des sogenannten Friedens darstellt. Die PLO ihrerseits hat bereits enorme Zugeständnisse gemacht und ist zu vielen weiteren Abtretungen bereit, um als Gegenleistung dafür irgendeine Lösung proklamieren zu dürfen, die den Namen „Palästinensischer Staat“ erhält, auch wenn er bar jeder Waffe und jeder Souveränität sein sollte. Das heißt, der Staat würde nur dem Namen nach bestehen. Trotz allem verlangt der Zionistenstaat mehr. Denn er weiß wie jeder andere auch: Wer sich einmal erniedrigen lässt und nachgibt, dem fällt das Nachgeben leicht.

2. Die Hamas hatte immer wieder mit wilden Äußerungen gegen die Zugeständnisse der PLO gewettert, die diese gegenüber dem Zionistenstaat zugunsten eines Kleinstaates (auf den Gebieten von 67) gemacht hatte. Dies brachte die palästinensische Autonomiebehörde im Anschluss an das Osloer Abkommen in eine schwache Verhandlungsposition. Der perfide Plan war, die Hamas dem Weg der PLO folgen zu lassen. Unter der Okkupation ließ man sie an die Macht gelangen, wo sie dann mit der Besatzungsmacht zusammenarbeiten musste, um schließlich Verhandlungen über einen Staat in den Grenzen von 1967 zu akzeptieren. Dies würde automatisch zu einer Anerkennung des Zionistenstaates führen. Und da die PLO bis ins Mark mit den Projekten des Westens - mit Amerika an der Spitze – verflochten ist, um die Palästinenser zum Einknicken zu bringen und sie zur Anerkennung des Zionistenstaates zu bewegen, hat die PLO daran mitgewirkt, der Hamas-Bewegung unter der Besatzung zur Macht zu verhelfen.

Die PLO war sowohl hinter als auch vor den Kulissen am Plan beteiligt, denn ihr ist klar, dass das Regieren unter Besatzung die Hamas dorthin führen würde, wo auch die Fatah und die PLO hingekommen sind. Und so gewann die Hamas-Bewegung die Parlamentswahlen von 2006. Die übrigen Gruppen lehnten es jedoch ab, eine Einheitsregierung mit der Hamas zu bilden, damit diese in eine direkte Herrschaft unter Okkupation hineinmanövriert wird. Gleichzeitig intensivierte Katar seine Kontakte zur Hamas und kündigte an, sie unterstützen zu wollen. Im Anschluss daran fiel der gesamte Gazastreifen in die Hände der Hamas. Mit der Verstrickung der Hamas in die Alleinherrschaft über den Gazastreifen war sie nun endgültig in die Falle getappt. So lehnt der Zionistenstaat im Bereich der Grundversorgung der zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens eine Zusammenarbeit mit der Hamas als „terroristische“ Vereinigung ab. Auch Ägypten verschärfte den Boykott gegen die Hamas, besonders nachdem al-Sisi die Macht übernahm.

Damit geriet der Gazastreifen samt der Hamas-Regierung in den Zangengriff zwischen dem Sisi-Regime und dem Zionistenstaat. Die Autonomiebehörde in Ramallah als jene Stelle, die mit dem Zionistenstaat in Sachen Gazastreifen kooperiert, machte die Belagerung komplett. In der Folge war es der Hamas nicht möglich, die Grundbedürfnisse der Menschen, die unter ihrer Herrschaft ausharren, zu decken. Diesen Zustand der Herrschaft über den Gazastreifen unter einer Besatzungsmacht hat sich die Hamas - auf Anraten Katars - selbst zuzuschreiben: Er bedeutet, zwischen zwei Übeln wählen zu müssen, von denen eines schlimmer als das andere ist: entweder die Selbstauflösung und die Rückkehr der Abbas-Behörde in den Gazastreifen, was Hamas ablehnt, oder den Empfehlungen der Unterstützer, besonders denen Katars, zu folgen und sich flexibler in der Position gegenüber dem Zionistenstaat zu zeigen, eine Art Beziehung zu ihm aufzubauen und offen für Lösungsprojekte zu sein, darunter für einen Kleinstaat in den Gebieten von 1967. Jedem Menschen mit Einsicht war klar, dass eine Machtübernahme unter der Besatzung unweigerlich zu einer Kooperation mit dem Besatzer und zu einer Befürwortung der Verhandlungen mit dem Zionistenstaat führen würde. Es war ebenso klar, dass die Ziele des Widerstandes durch die Gründung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 zurückgeschraubt werden würden mit allem, was dies an Zugeständnissen erfordert. Mit Unwissenheit ist das natürlich nicht zu entschuldigen.

3. Alle Statements seitens der Hamas-Führung unterstreichen, dass die Charta darauf abzielt, von der internationalen Staatengemeinschaft besser akzeptiert zu werden, im Gazastreifen aber weiter an der Macht zu bleiben und die Zustimmung dafür zu erhalten, Teil der Lösung des Palästinaproblems zu sein. Mit anderen Worten, es soll alles aus dem Weg geräumt werden, was über die Hamas-Bewegung kursiert, dass sie nämlich ein Hindernis für eine Palästinalösung über den Verhandlungsweg darstellt. Dazu zählen folgende Äußerungen:

a) Khaled Meshal erklärte: „Die politische Charta geht mit dem Wandel einher und spiegelt die Praxis, das Denken und die Vision der Hamas-Bewegung wider. Der Beschluss, das politische Dokument vorzubereiten, ist vor vier Jahren gefallen. Der Erstellungsprozess begann vor zwei Jahren.“ (Noon Post, 01.05.2017)

Meshal sagte: „Hamas hat eine neue Linie gewählt, nämlich Entwicklung und Flexibilität, ohne Prinzipien und Rechte aufzugeben.“ (Arabiya Net, 01.05.2017) Weiter führte er an: „Wir haben uns darauf geeinigt, ein politisches Dokument zu formulieren, das die Entwicklung im Denken und in der politischen Praxis der Hamas widerspiegelt... Wir streben nicht nach Krieg, sondern nach Befreiung und Loslösung aus der Okkupation… Nachdem wir die endgültige Version hatten, setzten wir uns neun Stunden lang mit einer Gruppe aus Experten für internationales Recht zusammen, um uns ihre Bemerkungen anzuhören. Die Hamas präsentiert sich durch diese Charta als fortschrittliche und innovative Bewegung. Sie entwickelt sich intellektuell und politisch, so, wie sie es im Widerstand ist.“ (Ma’an News Agency, 02.052017)

b) In seiner Antwort auf die Frage nach der Wichtigkeit dieser Charta für die Bewegung intern wie extern erwiderte Barhum: „Diese Charta bedeutet für die neue Generation der Bewegung viel, die nach Flexibilität, nach Entwicklung und nach erleuchtendem Denken sucht ebenso wie nach Anpassung an den Wandel. Sie (die Charta) öffnet neue Horizonte im Umgang mit der Gesellschaft und definiert die Merkmale und das Wesen der Auseinandersetzung mit dem Feind. Sie formuliert die Methode des Umgangs mit dem anderen neu sowie die Öffnung zur Welt.“ Er sagte weiter: „Ihr solltet von der Hamas selbst hören und nicht von ihren Feinden und Gegnern über sie.“ (Noon Post, 02.05.2017)

4. Auch geben die Artikel der Charta dies wieder:

Artikel 8 der neuen Charta besagt: „Die Hamas-Bewegung versteht den Islam als alle Seiten des Lebens umfassend und als - in einem moderaten, gemäßigten Geist - für alle Zeiten und Orte geeignet. Sie glaubt, dass er die Religion des Friedens und der Toleranz ist. In seinem Schatten leben die Anhänger (aller) Gesetzgebungen und Religionen in Schutz und Sicherheit. Sie glaubt ebenfalls, dass Palästina das Modell für Koexistenz, Toleranz und kulturelle Errungenschaft war und sein wird.“ Mit Koexistenz und Toleranz unter den Religionen sind hier die Juden angesprochen, d. h., das alte Kapitel der Vergangenheit soll geschlossen und ein neues Kapitel der Koexistenz und Toleranz geöffnet werden. Das weist auf ein hochgradiges Einlenken hin. Der Artikel macht ebenfalls auf das Ziel der Erklärung dieser Charta aufmerksam, das da wäre, sich Europa und den USA so zu präsentieren, dass sie für einen palästinensischen Ausgleich leichter von ihnen akzeptiert und anerkannt werden.

In Artikel 34 der Charta heißt es: „Die palästinensische Frau spielt eine zentrale Rolle beim Aufbau der Gegenwart, der Zukunft und der politischen Ordnung.“ Diese Passage wird nicht in den Kontext des Islam gesetzt, der den Status der Frau erhöht hat. Sie soll vielmehr einer Annäherung an die Verständnisse des Westens dienen, die sich um die von ihnen so bezeichneten „Frauenrechte“ drehen, was nichts anderes ist als ein Instrument zum Angriff auf die islamische Kultur. Es sind keine wirklichen Forderungen nach den Rechten der Frau. An sich selbst appelliert der Westen nicht, die muslimische Frau vor dem Tod im Irak, in Syrien und Palästina zu schützen. Er betrachtet die Wahrung des Lebens einer Frau nicht einmal als Recht, sondern ruft lediglich zur Idee der Freiheit für die Frau auf, und zwar nach seinen Wünschen, um die islamische Kultur anzuprangern.

5. Mit diesen Statements und den Auszügen aus der Charta wird das Ziel nun vollkommen klar. Diese Charta befreit die Bewegung von ihrer ideologischen Schale, die stets den Zweifel des Westens hervorgerufen hat, auch wenn es sich nur um eine Hülle handelte. Sie verleiht der Bewegung ein pragmatisches Antlitz, frei von jeder islamisch-ideologischen Dimension. Damit will man sich außerhalb jeden Argwohns positionieren, ein Hindernis für friedliche Lösungen zu sein. Mit anderen Worten will man den Weg frei machen für Lösungsverhandlungen und diese mit der Charta als „Formel des nationalen, gemeinschaftlichen Konsenses“ befürworten. Das Hamas-Papier fällt sogar zeitgleich mit einer möglichen Aufnahme von Verhandlungen zwischen der Autonomiebehörde und dem Zionistenstaat zusammen. Dessen Präsentation am 01.05.2017 parallel mit der Abbas-Visite in den USA am 02.05.2017 ist deutlich genug.

Was die Rhetorik zum Islam und zur Ablehnung einer Anerkennung des Zionistenstaates betrifft, so hat dies keinerlei Bedeutung. Denn wie deckt sich die Befürwortung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 mit der Nichtanerkennung eines Zionistenstaates? Die Ankündigung der Hamas-Bewegung, einem Staat in den Grenzen von 1967 zuzustimmen und es als Formel des nationalen, gemeinschaftlichen Konsenses zu bezeichnen, ist nichts anderes als das Einläuten von Zugeständnissen, das noch so einiges verborgen hält. Dieser Vorgang erinnert an die PLO in ihrer Vorgehensweise und in den stufenweisen Abtretungen, bis die PLO als Sicherheitsdiener für den Zionistenstaat endete. So, wie es sich offensichtlich darstellt, ist die Hamas-„Behörde“ in Gaza seit den Wahlen von 2006 und ihrer dortigen Machtübernahme nicht weit von so einem schrittweisen Abtretungsprozess entfernt. Dies zeigt sich besonders, seitdem Meshal in Damaskus am 25.06.2009 eine Rede hielt, in der er kundgab, einen Staat in den Grenzen von 1967 anzustreben. Am 26.06.2009 veröffentlichten wir unter der Überschrift „Die Hamas-Behörde folgt dem Weg der Fatah-Behörde Elle um Elle und Zoll um Zoll“ eine Verlautbarung dazu. Dort führten wir aus: Als die Fatah-Bewegung Mitte der 1960er Jahre gegründet wurde, erklärte sie den bewaffneten Widerstand zur Befreiung Palästinas vom ‚Fluss bis zum Meer‘. Ihr Weg mündete schließlich in der Aufgabe von Fluss und Meer und was dazwischenliegt. So erkannte die Fatah-Behörde den Zionistenstaat auf dem weitaus größten Teil Palästinas an und begann mit ihm unter amerikanischer Betreuung über einen Staat im kleinen Rest von Palästina zu verhandeln. Immer wenn dem Chef der Fatah-Behörde eine Angelegenheit zu schaffen machte, pilgerte er nach Washington. Trotzdem hat die Fatah-Behörde nach langen Jahren der Verhandlungen bis heute nichts erreicht. Sie untersteht noch immer der zionistischen Besatzungsmacht und kann sich nur mit ihrer Erlaubnis bewegen. Sogar ihr Chef kann nur mit Erlaubnis des Zionistenstaates verreisen.

Die Hamas entstand ungefähr zwei Jahrzehnte nach Entstehung der Fatah. Sie beschritt von Beginn an denselben Weg, den vor ihr die Fatah beschritten hatte. So verkündete sie den bewaffneten Widerstand zur Befreiung Palästinas vom ‚Fluss bis zum Meer‘ und begann die Fatah zu kritisieren, weil diese den Zionistenstaat anerkannt hatte und einen Staat lediglich in den Grenzen von 1967 forderte. Weiter kritisierte sie, dass die Fatah sich in die Arme Amerikas geworfen habe und mit dem Zionistenstaat verhandle. Doch endete der Weg der Hamas-Behörde damit, ebenfalls einen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 zu fordern, neben dem Verbleib des Zionistenstaates im weitaus größeren Teil Palästinas. Auch die Hamas streckt jetzt die Hände nach Amerika aus, um dieses Ziel zu erreichen. […]

So hat heute der Hamas-Obere Khaled Mehal in einer Ansprache am 25.6.2009 in Damaskus aus vollem Munde erklärt, dass die Hamas einen Staat in den Grenzen von 1967 anstrebe und dafür den USA die Hand für Verhandlungen reiche.

Begonnen haben die schrittweise vollzogenen Abtretungen also bereits vor beinahe acht Jahren, d. h. vor doppelt so langer Zeit, als von Meshal in Bezug auf die jetzige Charta angegeben. Er sagte: „Die politische Charta hält mit den Veränderungen Schritt und spiegelt die Maßnahmen, das Denken und die Vision der Hamas-Bewegung wider. Der Beschluss zur Vorbereitung der politischen Charta ist vor vier Jahren gefallen und der Prozess zur Erstellung begann vor zwei Jahren.“ (Noon Post, 01.05.2017)

Mit den Zugeständnissen hatte man indes schon vorher begonnen. Der Unterschied war, dass Meshal damals einen Teil davon erwähnt hatte und nun weitere Teile ergänzt hat. Damals hatte er von den Grenzen von 1967 gesprochen und in seiner Charta die Auslöschung des Zionistenstaates beibehalten. Er hielt ebenfalls an der Verbindung der Hamas zu den Muslimbrüdern fest. Nun hat er von beidem Abstand genommen - einhergehend mit dem Prozess schrittweiser Zugeständnisse. Ein weiterer Unterschied ist, dass es zuvor freie mündliche Aussagen waren, während es sich jetzt um eine autorisierte politische Charta handelt.

Zweitens: Das Hamas-Papier und dessen Verbindung zu amerikanischen Lösungsprojekten:

1. Im Zuge der explosiven Lage in der arabischen Region, besonders in Syrien, und der Zuspitzung der Lage zwischen Amerika und Nordkorea ist die Palästinafrage nicht mehr das drängendste Problem für die jetzige US-Administration. Daher haben es die USA nicht eilig, sich um dieses Problem zu kümmern. Sie prüfen die verschiedenen Aussichten für eine Lösung des Palästinaproblems und studieren die Möglichkeit der Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Arabern, besonders den Palästinensern, und dem Zionistenstaat, und sie warten ab, was geschieht. Was dies untermauert, ist die Meldung der BBC vom 11.03.2017: Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert Nabil Abu Rudaina, Sprecher des Palästinenserpräsidenten, wonach Trump zu Abbas gesagt habe, er wolle die Methode zur Rückkehr zu den Verhandlungen prüfen und bekräftigte „seine Einhaltung des friedlichen Prozesses, der zu einem wirklichen Frieden führt“.Er (Trump) sagte ebenfalls in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Abbas im Weißen Haus: „Ich werde alles Nötige tun… Ich würde gerne als Vermittler, als Mediator oder als Schiedsrichter zwischen beiden Seiten fungieren, und dann werden wir das schaffen.“ (Russia Today, 04.05.2017) Das heißt, die USA haben momentan keine dezidierten Pläne zur Lösung der Palästinafrage im Angebot. Und das wird so lange anhalten, bis hinsichtlich des Krieges bzw. einer Beruhigung der Lage in Syrien und ebenso der Krise mit Nordkorea große Schritte vollbracht sind. Es steht bei Trump also weder fest, wie die Rückkehr zu den Verhandlungen aussieht, noch, welche Art von Friedensprozess er will. Er befindet sich in der Phase des Suchens, des Sondierens und des Sich-Unterhaltens mit den Konfliktparteien in Palästina. Außerdem möchte er, dass beide Seiten direkt zusammentreffen, um sich auf Lösungen zu einigen, die sie gerne hätten oder, genauer gesagt, die der Zionistenstaat gerne hätte. Daher fordern die USA direkte Verhandlungen. Die UN-Botschafterin der Vereinigten Staaten Nikki Haley traf den palästinensischen Vertreter Riad Mansour am vergangenen Dienstag zum ersten Mal. Später berichtete sie via Twitter, dass die Palästinenser sich mit den Israelis treffen sollten „in direkten Verhandlungen, anstatt auf die Vereinten Nationen zurückzugreifen, um an Ergebnisse zu gelangen“. (BBC, 11.03.2017)

2. Die jetzige US-Administration unterstützt den Zionistenstaat noch vehementer als frühere Administrationen. Die USA sehen nämlich, dass der Nahe Osten zu einer explosiven Region geworden ist, die von Aufständen überzogen wird, welche den Status quo mit all seinen Facetten ablehnen. Selbst wenn die USA heute noch in der Lage sind, den Revolten mittels der in der islamischen Welt herrschenden Regime entgegenzuwirken, so können sie es in naher Zukunft womöglich nicht mehr. Grund dafür ist die zunehmende Schwäche, die diese Regime befallen hat, wobei einige sogar nicht weit davon entfernt sind zu fallen. Als Konsequenz hat die Bedeutung des Zionistenstaates wieder an Priorität für Amerikas Strategie gewonnen, um den amerikanischen Interessen zu dienen, nachdem die arabischen Regime Schwächen aufweisen. In diesem Licht ist auch das zu sehen, was an den Vorschlägen der Trump-Administration merkwürdig erscheint, wie der mögliche Verzicht auf die Zweistaatenlösung und die Heranziehung einer Einstaatlösung sowie die angedachte Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, auch wenn die USA sich dabei noch zieren. All das drückt die Dimension der Gefahr aus, die die USA angesichts der Aufstände der Muslime für ihre Interessen verspüren. Daher legen sie den Fokus darauf, den Zionistenstaat zu unterstützen, in der Annahme, dass er imstande ist, die US-Interessen zu schützen, nachdem ihre Vasallen in der Region ins Wanken geraten sind.

3. Auch aus diesem Interesse heraus und zur Unterstützung des Zionistenstaates forderte Trump von den Palästinensern, die Hetze zu stoppen. In seinem ersten Treffen mit Abbas am Mittwoch, den 03.05.2017, rief Trump die palästinensischen Führer dazu auf, „sich mit einer Stimme gegen die Gewalt auszusprechen, zu der gegen die Israelis aufgerufen wird“. (Reuters Arabic, 04.05.2017) Nebenbei erlegt Trump den Palästinensern unfaire Bedingungen auf, sollten sie die Zweistaatenlösung wollen. So schreibt die Website „Monitor“ am 02.5.2017: Was den palästinensischen Verhandlungsführern am meisten Sorge bereitet, sind die amerikanischen Bedingungen für eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche, die der US-Gesandte Jason Greenblatt im März aufstellte, als er mit den palästinensischen und arabischen Führern zusammentraf. Der Neun-Punkte-Plan enthält Bedingungen, die die USA aufgestellt haben, um eine Zweistaatenlösung zu akzeptieren, darunter die Notwendigkeit der Reformierung der Sicherheit auf palästinensischer Seite in Koordination mit ‚Israel‘. Dazu gehört ebenfalls, ein Stopp der Blankochecks, die in den Gazastreifen gesandt werden. Und die Palästinenser sollen in praktischer Weise unter Beweis stellen, dass sie gegen Terrorismus sind.

Drittens: Die Beziehung Europas zur Charta und die Frage, ob Europa sich auf einem von Amerika abgekoppelten Weg befindet

Die europäischen Staaten sind zu schwach, als dass sie zum derzeitigen Zeitpunkt eigene von den USA getrennte politische Projekte betreiben könnten. Wenngleich Katar, das den Briten loyal ist, eine aktive Rolle spielt, heißt das trotzdem nicht, dass Europa in der Lage wäre, unabhängig von Amerika eine Lösung für das Palästinaproblem zu schaffen. Auf jeden Fall sind die Anerkennung des Zionistenstaates und Verhandlungen mit ihm eine Forderung des Westens generell. Darüber sind sich Europa und Amerika vollkommen einig. Großbritannien, insbesondere nach Einleitung des Brexit, ist jetzt mehr denn je bereit, im Gleichschritt und Seite an Seite mit den USA eine Lösung für das Palästinaproblem zu schaffen, ohne dabei Stolpersteine aufzustellen. Diese Trump-Regierung gesteht den Briten auch einige Interessen zu und ist bereit, ihnen einige Häppchen der Beute zu überlassen, besonders da beide Seiten - sowohl die amerikanische als auch die europäische - sich den enormen islamischen Gefahren gegenübersehen und sie aus unmittelbarer Nähe in die revoltierende islamisch-arabische Region blicken können. Die gesamte Region könnte kurz vor dem Ausbruch aus der westlichen Hegemonie stehen.

Viertens: Wir wiederholen unsere Worte:

Die Anerkennung einer Zweitstaatenlösung durch Fatah und Hamas verleiht dem Zionistenstaat keine Legitimität im Islam. Weder die Fatah noch die Hamas repräsentieren den Islam und die Muslime. Sie stellen vielmehr eine kleine Gruppe dar, die vom Weg abgekommen ist.

Palästina ist ein gesegneter islamischer Boden und Eigentum der islamischen Umma. Es ist tief im Herzen und Verstand dieser Umma verwurzelt, seitdem der Allmächtige die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem mit der Heiligen Moschee in Mekka untrennbar verbunden hat. Dies geschah bei dem großen Ereignis der Nacht- und Himmelreise des Propheten (s), dem sogenannten „al-isrāʾ wa l-miʿrāğ“.

﴿سُبْحَانَ الَّذِي أَسْرَى بِعَبْدِهِ لَيْلًا مِنَ الْمَسْجِدِ الْحَرَامِ إِلَى الْمَسْجِدِ الْأَقْصَى الَّذِي بَارَكْنَا حَوْلَهُ لِنُرِيَهُ مِنْ آَيَاتِنَا إِنَّهُ هُوَ السَّمِيعُ الْبَصِيرُ﴾

Gepriesen sei Der, Der bei Nacht Seinen Diener von der Heiligen Moschee zu der Fernen Moschee, deren Umgebung Wir gesegnet haben, hinführte, auf dass Wir ihm einige Unserer Zeichen zeigen. Wahrlich, Er ist der Allhörende, der Allsehende. (17:1)

So stellt sich die Palästinafrage dar. Die Lösung erfolgt nicht, indem man Amerika die ausgestreckte Hand hinhält, um über eine Zweistaatenoption zu verhandeln. Sie erfolgt auch nicht durch Verhandlungen mit dem Zionistenstaat, auch wenn er sich tatsächlich aus allen 1967 besetzten Gebieten zurückzieht. Denn jeder Zoll des besetzten Palästina von 1948 und jeder Zoll des besetzten Palästina von 1967 ist aus Sicht des Islam gleichwertig. Der gesegnete Boden Palästinas ist über die langen Epochen des islamischen Kalifats mit dem Blut der Märtyrer der muslimischen Armeen getränkt worden, sodass kein Handbreit mehr übrig geblieben ist, den nicht das Blut eines Märtyrers traf oder der nicht durch den Hufschlag des Schlachtrosses eines muslimischen Kämpfers aufgewühlt wurde.

Palästina ist seit dem isrāʾ-Ereignis ein Vermächtnis in Händen der Muslime. Kein freier Muslim hat das Recht, dieses Vermächtnis zu verraten. Allah, der Gewaltige und Mächtige, sagt:

﴿يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آَمَنُوا لَا تَخُونُوا اللَّهَ وَالرَّسُولَ وَتَخُونُوا أَمَانَاتِكُمْ وَأَنْتُمْ تَعْلَمُونَ

Ihr, die ihr glaubt! Begeht keinen Verrat an Allah und dem Gesandten und verratet nicht wissentlich eure anvertraute Treuhand. (8:27)

15. Šaʿbān 1438 n. H.

12.05.2017 n. Chr.

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