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بسم الله الرحمن الرحيم

Zum zehnten Jahrestag der Revolution (2)

Ägypten zwischen Revolution und Konterrevolution

Die islamische Umma durchschreitet in der jetzigen Phase ihrer Geschichte eine entscheidende Etappe, in der sie versucht, die ihr geraubte Autorität wiederzugewinnen. Und sie bemüht sich um eine Herauskristallisierung ihres Ur-Projektes, das im Kern ihres Herzens seinen Platz hat und ihre Empfindungen prägt. Und das ist der Islam als das rationale Überzeugungsfundament, aus dem eine Ordnung hervorgeht. Ein immanenter Teil dieser Ordnung ist Politik. Denn Politik ist die Wahrnehmung der Belange der Umma durch den Islam. Es der entschlossene Versuch der Umma, sich von der politischen und intellektuellen Abhängigkeit von der westlichen Kultur, welche auf der Grundlage der Trennung von Religion und Leben beruht, zu befreien. Die Umma führte auf breiter Basis Revolutionen in Tunesien, Libyen, Syrien und im Jemen durch, die auf verblüffende Weise zeigten, aus welchem Diamenten die Umma besteht, der vom Islam geschliffen wurde. Die Umma lebt noch immer diesen revolutionären Zustand, trotz der Repressalien, der Unterdrückung und der Willkür, mit denen die Vasallen-Regime, die unter dem Auge des Westens geschaffen wurden, gegen sie vorgehen. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Islam, der die Denkweise und den Charakter der revolutionären Umma geformt hat, bei dieser revolutionären Bewegung eine große Rolle gespielt hat. Und das trotz der Versuche einiger, diese Wahrheit zu überdecken. Es war nicht zu übersehen, dass der Ausgangsorte der Demonstrationen stets die Moscheen waren und dass in diesen  Massenprotesten die Flaggen von „La ilaha illa Allah“ geschwenkt wurden. Beim Verfassungsreferendum und bei den Wahlen, die nach dem Sturz des Tyrannen Mubarak, dem Pharao der Moderne, stattfanden, haben die Menschen ihre Stimme jenen Personen gegeben, die den Islam als Slogan trugen.

Diese Revolutionen sind aus dem Bauch der Umma geboren und waren keine künstlichen Gebilde. Sie sind spontan entstanden. Die Menschen gingen gegen Gewalt, Unterdrückung und Willkür auf die Straße, die ihnen jahrzehntelang die Luft zudrückten. Diese Revolutionen haben es geschafft, die Mauer der Angst zu durchbrechen, die die Umma gefesselt hatte und daran hinderte, sich zu bewegen. Und diese Revolutionen trafen die USA, die mit dieser revolutionären Bewegung der Umma nicht gerechnet hatten, plötzlich und unerwartet. Von einer Umma, über die man dachte, sie sei schon gestorben. Jawohl, diese Revolutionen wurden aus der Gebärmutter dieser Umma geboren und die USA waren überrascht über die Kraft dieser Bewegung auf den Straßen, die sich gegen Mubarak und seine Clique richtete.

Doch angesichts der US-Hegemonie in den letzten Jahrzehnten über Ägypten, besonders in der Ära des gestrauchelten Diktators Mubarak, war es naiv, zu glauben, die USA würden es Ägypten einfach erlauben, sich aus der US-Abhängigkeit zu befreien. Schließlich hat Ägypten politisch, geographisch, wirtschatlich und demographisch besonderes Gewicht in der Region. Fakt ist: Hätte man der Revolution in Ägypten und dem sogenannten arabischen Frühling in allen anderen Ländern freien Lauf gelassen, so hätte das Originalempfinden der Umma dem Islam gegenüber, der tief in ihr verankert ist, unausweichlich zur Machterlangung des Islam geführt, auch wenn den Revolutionen die intellektuelle Führung und ein klares islamisches Projekt fehlte.

Daher beeilten sich die Amerikaner damit, die Rolle der Vereinigungen und Verbände, die sogenannten zivilgesellschaftlichen Organisationen, die vorwiegend von den USA finanziert werden, besonders hervorstechen zu lassen. Schnell wurden sie aktiv, die Revolution in Richtung eines sogenannten zivilen, modernen, demokratischen Staates umzulenken, weit weg von einem islamischen Staat und der Implementierung der Gesetzgebung Allahs.

Obwohl Mubarak für den Zionistenstaat strategisch kostbar war und für die USA der geborene Vasall, wurde er in relativ kuzer Zeit vom Thron gestürzt und fallen gelassen, ohne ihm eine Träne hinterherzuweinen. Denn die Schalthebeln des ägyptischen Regimes waren gänzlich in amerikanischer Hand, ebenso wie das Militär und die säkulare Opposition. Die Amerikaner standen auch in engem Kontakt zu den Führungen des sogenannten gemäßigten Islam. Mit anderen Worten, die USA hatten nicht die Befürchtung, mit dem Rücktritt Mubaraks würden ihnen die Dinge aus der Hand entgleiten. Mehr noch: Sie beschleunigten eher dessen Sturz, um den Zorn der Straße aufzufangen, bevor die Dinge außer Kontrolle geraten.

Daher können wir sagen, dass es einen amerikanischen Plan gab, um der Revolution in Ägypten entgegenzutreten. Dieser Plan bestand – kurz gefasst- aus drei Phasen:

1. Erste Phase: Das Vereinnahmen der Revolution

Dies passierte über die Führungsspitze des Militärrates und deren – rein oberflächlich betriebene - Parteinahme für die Revolution. Diese Vereinnahmung geschah auch dadurch, dass der Militärrat dem Diktator Mubarak seine Unterstützung entzog und nicht mit Härte gegen die Demonstranten vorging. Es gelang ihm sogar, einen Teil der Revolutionäre auf seine Seite zu bringen, was zu tiefen Spaltungen innerhalb der Revolutionsbewegung führte. Es war schon seltsam, dass einige Menschen, die gegen Mubarak revoltierten, auf den Militärrat mit Hochachtung und Respekt blickten, als vermeintliche Unterstützer der Revolution. Sie vergaßen anscheinend, welche Rolle der Militärrat dreißig Jahre lang bei der Konsolidierung der Macht Mubaraks spielte.

2. Zweite Phase: Das Verbiegen der Revolution

Führungsfiguren mit liberal-kapitalistischer Ausrichtung wurden von den USA ins Scheinwerferlicht gerückt, darunter auch Islam-Aktivisten bzw. Vertreter sogenannter gemäßigt-islamischer Strömungen, deren Methode und Verständnis es zulassen, kapitalistisch-liberale Strömungen zu akzeptieren, einen Konsens mit ihnen einzugehen oder mit ihnen übereinzustimmen, und das im Rahmen der säkularen republikanischen Ordnung des Staates. Den USA war bewusst, dass es einer „islamistischen“ Führung in dieser Phase bedurfte, um die revoltierende Straße zu besänftigen, die vor allem durch die islamischen Emotionen und die Liebe zum Islam angetrieben wurde. Auch setzten die USA die säkulare Opposition ein, um die Muslimbrüder zu bändigen. Denn die USA hatten kein grenzenloses Vertrauen in den Muslimbrüdern und wussten, dass sie unbeständig sind und dass das, was die Basis der Muslimbruderschaft will, der Islam ist. Diese Basis könnte also auf ihre Führung Druck dahingehend ausüben, sich der US-Gefolgschaft zu zu entziehen. Daher brauchten die USA Werkzeuge, also Handlanger, die Druck ausüben könnten, um die Muslimbrüder gefügig zu machen. Eines dieser effizienten Werkzeuge bestand in der säkularen Opposition. Die Amerikaner ließen ihr – wohlkalkuliert – freie Hand darin, die Muslimbrüder zu attackieren, damit diese ununterbrochen das Gefühl haben, der USA zu bedürfen und außerstande zu sein, die von den USA gezeichneten roten Linien zu überschreiten. Darüber hinaus ließen die Amerikaner es nicht zu, dass die Muslimbrüder erfolgreich dastehen, damit ihre Popularität auf der Straße nicht steigt und sie dann womöglich daran denken, sich aus dem Griff Amerikas zu lösen. Und sie wollten den Menschen damit demonstrieren, dass die islamische Regierung gescheitert ist und sich die Menschen davon abwenden.

3. Dritte Phase: Das Aushöhlen der Revolution

Es ist die Phase der Verzerrung der Revolution und eine, in der bewirkt werden sollte, dass die Menschen die Hoffnung verlieren, dass eine Veränderung möglich ist, besonders nicht auf Basis des Islam. Es ist bedauerlich, dass dies von islamischen Akteuren verschuldet wurde bzw. von jenen, die dem islamischen Lager zugerechnet werden. Sie haben das Land durch die vielen aufgetretenen Krisen in einen dunklen Tunnel hineingeführt, angefangen bei der Brennstoff-Krise, den Stromausfällen, der Brotkrise bis hin zum Problem fehlender Sicherheit, das sich im ganzen Land ausbreitete. Die Muslimbrüder waren von außen betrachtet, diejenigen, die regiert haben. Doch in der Realität hatten sie rein gar nichts in der Hand.

Die säkulare Opposition sorgte während der Regierungszeit Muhammad Mursis (möge Allah sich seiner erbarmen) für Unruhe auf Ägyptens Straßen. Mit medialem Gebrüll wurde die islamische Strömung regelrecht dämonisiert, was jedoch nicht widerspiegelte, was die Straße dachte. Denn die Straße Ägyptens orientierte sich in Richtung Islam. Diese Opposition spielte als Bündnis der sogenannten Nationalen Rettungsfront eine bestimmte Rolle und verschwand anschließend nach dem Putsch des 30. Juni von der Bildfläche. Am Ende gelang es den Amerikanern, die Missstände aus der Zeit des vorangegangenen Regimes und dessen Scheitern, dem Volk ein menschenwürdiges Leben zu bieten, den Muslimbrüdern und dem islamischen Lager in die Schuhe zu schieben. Es folgte das unvermeidbare Ende der Regierung der Muslimbrüder und es begann eine öffentliche Mobilmachung gegen die Muslimbrüder. Und so kehrte die Macht erneut an das Militär zurück.

Die USA ihrerseits waren gezwungen, für eine gewisse Phase mit dem islamischen Lager in den islamischen Ländern, darunter Ägypten, zu kooperieren. Und das aus folgenden Gründen:

1. Der Islam ist in den islamischen Ländern zur Hauptantriebsfeder der Straße geworden, darunter auch in Ägypten.

2. Um dem wahren Islam den Weg abzuschneiden, der nach einem fundamentalen Wandel verlangt und nach einem Ende aller westlichen Einflüsse in der Region. Dazu gehört auch das Zionistengebilde.

3. Die Muslimbruderschaft war die aktivste und organisierteste Kraft im ägyptischen Gefilde.

4. Die Muslimbrüder vertreten einen Pragmatismus und akzeptierten die amerikanischen Bedingungen, die darin bestanden, den Friedensvertrag mit dem Judengebilde zu respektieren, die kolonialistisch-politische Landkarte der Region, d.h. die Sykes-Picot-Grenzen aufrechtzuerhalten und im Rahmen dessen die Unabhängigkeit der Staaten anzuerkennen und nicht danach zu streben, sie in einem einzigen Staat zu vereinen, den zivilen, demokratischen Staat zu akzeptieren und für ihn zu werben, ohne den islamischen Staat anzusprechen und schließlich an den besonderen Beziehungen zu den USA festzuhalten.

5. All das diente der Verbiegung der Revolution und dem Versuch, sie auszuhöhlen, und zwar dadurch, dass die „Islamisten“ als regierungsunfähig dastehen sollten, damit – so die Annahme der USA - die Menschen dem islamischen Projekt den Rücken kehren.

6. Was den USA der Umgang mit dem islamisch-gemäßigten Lager erleichterte, war das Fehlen einer deutlichen intellektuellen Methode mit klar definierten Merkmalen und Prinzipien. Das erlaubte es, mit den Vertretern dieser Strömung das Spiel der politischen Deals zu spielen. Und den führenden Köpfen der Politik in Washington war bewusst, dass diese Strömung, sich auf dieses Spiel auf dem demokratischen Spielfeld mit deren Regeln und Gesetzen einlassen und es den USA letztlich gelingen würde, die Vertreter dieser Strömung hinters Licht zu führen.

Geschrieben für das zentrale Medienbüro von Hizb-ut-Tahrir
Von Hamed Abdulaziz
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