Donnerstag, 17 Ramadan 1445 | 28/03/2024
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بسم الله الرحمن الرحيم

Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen

Die Politik Erdogans in der Waagschale des Islam
(Teil 2)
- Die Rolle der Türkei in der NATO -

Hamed Abdulaziz – Ägypten

Die politische Realität muss bewusst und abseits von Emotionen gelesen werden. Das Urteil über diese Realität muss auf stabilen Grundfesten beruhen. Das heißt, die Realität muss gelesen werden, wie sie ist und nicht, wie man sie gern hätte. Des Weiteren muss das Urteil auf Basis der islamischen Aqida basieren und nicht auf einem instabilen Boden, ähnlich einem schwimmenden Kutter, der sich vom Wind und von den Wellen hin- und hertreiben lässt. Auch muss das Urteil über Personen und Ideen auf einer festen Grundlage stehen, welche auf der islamischen Aqida beruht. Andernfalls würden wir unser Bewusstsein verlieren und untergehen, während wir nur „la ilaha illa allah“ rufen und Verheißungen hinterherlaufen. Die Umma darf nicht zulassen, dass jemand sie in die Irre führt und sie in einen Zustand führt, wo ihre Energien, ihr Potential, ihre Zeit und ihre Hoffnungen sinnlos verschwendet werden und sie anschließen im Stich gelassen und verzweifelt zurückbleibt. Das ist umso schlimmer, als dass sie das Buch ihres Herrn, das Er als Rechtleitung und Licht herabgesandt hat, in Händen hat. Sie kann nicht in die Irre gehen, wenn sie ihre Maßstäbe und Gesetze aus diesem Buch schöpft und ihre Ideen auf dessen Grundlage aufbaut. In der in der Vergangenheit scharte sich die Umma schon zur Genüge um falsche, künstlich erzeugte Führungsfiguren. Sie besang und bejubelte sie für ihre gespielten Haltungen und ihre prahlerischen Reden, obwohl diese Führer die Umma nicht vor den Niederlagen, die eine nach der anderen über sie prasselte. Sie führten sie vielmehr in Abgründe hinein und trieb ein Spiel mit deren essentiellen Schicksals-Angelegenheiten zugunsten der Feinde der Umma. Es begann mit Mustafa Kemal und ging mit Abdul-Nasir und Yasser Arafat weiter, bis hin zum türkischen Präsidenten Erdogan, der nicht letzte seiner Art ist.

     1952 schloss sich die Türkei der NATO bei, dem Nordatlantikpakt, der am 4. April 1949 in Washington unterzeichnet wurde. Für die Türkei sollte dieses Bündnis die „westliche“ Identität des Landes besonders hervorheben, zusätzlich zu den langfristigen Garantien im Bereich Verteidigung und Sicherheit. Im Juni 2005 richtete die Türkei im Gebäude des Generalstabs das „Centre of Defense Against Terrorism“ (TMMM) ein, gemäß der Beschlüsse zur Errichtung von Zentren zur Beratung von Entscheidungsträgern, die im Rahmen des Nato-Gipfels in Prag im September 2002 zum Kampf gegen alte und neue Bedrohungen getroffen wurden . Es handelt sich um eine internationale Militärorganisation, in dem Offiziere aus sieben Mitgliedsstaaten neben der Türkei tätig sind. Diese Einrichtung stellt zivilen Bediensteten und Offizieren mit hohen und mittleren Rängen der Nato-Mitgliedsstaaten und deren Partnern in den verschiedenen Versammlungen bestimmte Dienste an. Dieses Zentrum bietet unter anderem Seminare, Vorträge, Workshops und andere Veranstaltungen zu diversen Themen an. Dazu gehört das Austrocknen der Geldquellen von „Terroristen“, der Kampf gegen Selbstmordattentäter, der Zusammenhang zwischen „Terrorismus“ und Medien und die Untersuchung der ideologischen Grundlagen des „Terrorismus“. Und es steuert akademische Beiträge zu der Arbeit bei, die vom Nato-Hauptquartier aus zur Terrorismusbekämpfung geleistet wird.

     Am 19. März 2003 stimmte das türkische Parlament dafür, dass US-Streitkräfte türkische Militärstützpunkte für den Einmarsch in den Irak nutzen dürfen. 322 der Abgeordneten stimmten mit Ja bei 202 Nein-Stimmen und einer Enthaltung. Des Weiteren erlaubte die Türkei den USA, die Militärbasis Incirlik im Süden der Türkei für die Verlegung der Mujahidun in das Gefangenenlager Guantanamo Bay zu nutzen. Das war nicht das einzige Ziel dieser Militärstützpunkte. Sie waren auch dafür da, um die Amerikaner mit Nahrung, Wasser, Treibstoff und mit Medikamenten zur Behandlung der Verwundeten zu versorgen. Die Türkei dient als Basis für den Großteil der logistischen Unterstützung der im Irak stationierten US-Streitkräfte und hat sich auch bereit erklärt, den US-Streitkräften den Rückzug aus dem Irak über türkisches Territorium zu ermöglichen.

     Die Türkei erlaubte den Vereinigten Staaten, ihre Basen für den Krieg in Afghanistan zu nutzen. Und innerhalb von weniger als 24 Stunden stellte die Türkei die Weichen für die Nutzung ihres Landes und ihres Luftraums durch amerikanische Streitkräfte, um im Oktober 2001 den Krieg gegen Afghanistan zu beginnen, neben der Entsendung von ca. 1200 türkischen Soldaten zur Unterstützung der ISAF-Truppen, die der Nato unterstehen. Ebenso hat die Türkei die internationale Militärintervention in Nordmali unterstützt. Man kann sich das Ausmaß der Zerstörung und Verwüstung vorstellen, die unsere Feinde den Muslimen zugefügt haben, einschließlich der Tötungen, der Misshandlungen, der Verluste von Territorien und der Verletzung von Heiligtümern. Bei all diesen Gräueln war die Türkei mit ihren Streitkräften Teilhaber.

     Die USA und die westlichen Staaten nutzen die Stärke der Türkei und deren Territorium mit strategisch wichtiger Lage, um die Anti-Islam-Ziele des Bündnisses zu unterstützen. Viele der US-Jets starten für die Luftschläge gegen die Muslime von Stützpunkten aus, die sie in der Türkei besitzen. Hätte Erdogan die Geschicke seines Landes in der eigenen Hand, würde er direkt und unverzüglich aus diesem islam- und muslimfeindlichen Bündnis austreten. Wie viele Massaker, die kaltblütig und hasserfüllt im Irak, in Afghanistan und in anderen muslimischen Ländern verübt wurden, gehen wohl auf das Konto dieser Allianz?!.

Das Verhältnis zu Russland:

     Ein Großteil der russischen imperialen Expansion, beginnend mit der Annektierung der Krim im Jahre 1783, ging entlang der Nordküste des Schwarzen Meeres, des Balkans und des Kaukasus auf Kosten des osmanischen Staates. Die russischen Gewinne aus dem Rückzug des osmanischen Staates stellten das Kräftegleichgewicht in Europa auf den Kopf, besonders während des Krimkrieges (1854-1856). Zudem haben die Ambitionen Russlands, die türkische Meerenge zu erobern und die Zerstückelung des osmanischen Staates zu vollenden, mit zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges geführt.

     Der Türkei gelang es, im Zweiten Weltkrieg neutral zu bleiben. Doch die Siege der Sowjetunion belebten den Ehrgeiz des ehemaligen russischen Reiches erneut, die türkische Meerenge zu kontrollieren. Und in dieser Zeit forderte Joseph Stalin eine gemeinsame sowjetisch-türkische Kontrolle der türkischen Meerenge und die Errichtung von Militärbasen in der Türkei.

     Ankara widersetzte sich den Forderungen Stalins, was diesen dazu veranlasste, auf eine kommunistische Revolution in der Türkei zu drängen. Als Reaktion darauf unterstützte der damalige US-Präsident Harry Truman Ankara gemäß den Bestimmungen der Truman-Doktrin. 1952 schloss sich die Türkei dem nordatlantischen Bündnis an und die kemalistische Türkei wurde zu einer antikommunistischen Hochburg und zu einer Hauptsäule dieses westlichen Bündnisses. Doch die Sowjetunion hatte ihre Bemühungen zur Schwächung der Türkei keineswegs aufgegeben. Zu den sowjetischen Instrumenten gehörte die Unterstützung des PKK-Aufstandes gegen Ankara in den 1980er Jahren.

     Die Auseinandersetzung zwischen Ankara und Moskau um die Nachbarländer ging weiter. Und in den Neunzigerjahren versuchte die Türkei mit Unterstützung des Westens aus den historischen und kulturellen Bindungen zu den Ländern Nutzen zu ziehen, um den Platz Russlands als Schutzpatron der türkischsprachigen islamischen Republiken in Zentralasien zu ersetzen. Des Weiteren unterstützten Ankara und Moskau die jeweiligen Konfliktparteien in der Auseinandersetzung um die Region Nagorni-Karabach zwischen Armenien und Aserbaidschan. Der Konflikt endete im Jahr 1994 mit einem Waffenstillstandsabkommen.

     Gemäß der Vereinbarung von 2002 zwischen den beiden Staaten, beendete Russland seine Unterstützung für die kurdische Arbeiterpartei, wobei die Türkei eine härtere Gangart gegenüber Tschetschenien einlegte und auch gegen andere Gruppierungen im Norden des Kaukasus, die aus den Territorien operierten, trotz der großen Solidarität, die sie in der türkischen Bevölkerung genossen. Das ermöglichte den Russen, Tschetschenien eiserner in den Griff zu nehmen und die Aktivitäten der Mujahidin in Tschetschenien zur Loslösung aus russischem Einfluss, zu eliminieren.

     Mit Beginn des Jahres 2008 wurde Russland zum größten Handelspartner der Türkei. Der Energiebereich war die wichtigste Komponente in den Wirtschaftsbeziehungen beider Staaten. Die Türkei, die kaum über organischen Brennstoff verfügt, hat im Jahr 2009 mehr als 40% ihrer Ölimporte aus Russland bezogen. Und noch immer versorgt Russland die Türkei mit 57% des Erdgases. Die Wirtschaftbeziehungen wurden auch auf Kernenergie, Bauwesen, Tourismus und auf andere Sektoren ausgedehnt.

     Die USA wiesen nach einem Treffen zwischen Obama und Putin am 29.09.2015 Russland an, direkt in Syrien einzugreifen. Ebenso wiesen sie Erdogan an, sich mit Putin in Bezug auf den Luftraum zu verständigen, in den russische Flugzeuge während der Bombardements gegen die Muslime in Syrien eindringen müssten. Denn die Luftwaffenbasis, von der aus die feindlichen russischen Flugzeuge starten würden, befindet sich nahe der Türkei. Dies erklärte ein russischer Offizier gegenüber dem Sender Russia Today. Es gäbe keinen anderen Ausweg, als dass die russische Luftwaffe während der Starts und Landungen in türkischen Luftraum eindringen müsse aufgrund des engen Raums. Diese Einigung gab er bekannt, und damit hat Erdogan einen eklatanten Verrat begangen und sich zum Komplizen beim Vergießen unantastbaren, muslimischen Blutes gemacht.

     Bei einem Zwischenfall am 24.11.2015 hat die türkische Luftwaffe ein russisches Flugzeug abgeschossen, das in den türkischen Luftraum eingedrungen war. Die Beziehung zwischen den beiden Staaten verschlechterten sich daraufhin. Putin betrachtete es als einen „Stich in den Rücken“, doch machte er Erdogan nicht persönlich dafür verantwortlich. Und Erdogan bemühte sich um die Bereinigung der Angelegenheit, bis er sich bei Russland am 27.06.2016 entschuldigte. Anschließend trafen sich beide Präsidenten am 09.08.2016 in Sankt Petersburg, damit kurz danach und noch während des Gipfes die russische Lufwaffe an der Seite des Regimes ihre Bombardements gegen die Muslime Syriens intensiviert, sodass binnen weniger Tage hunderte Menschen getötet werden. Und noch immer setzt er seine Angriffe fort, weil es bequem für ihn ist und er die Zustimmung Erdogans hat, der als Präsident ein Land führt, dessen Einwohner mehrheitlich muslimisch ist. Er hat die Menschen in Syrien belogen, dass er ihnen helfen wolle! Es ist kein Geheimnis, dass die Politik der Erdogan-Türkei sich mit der Politik Amerikas dreht. Sie weicht keinen Millimeter davon ab, seitdem Erdogan an der Macht ist. Jede Politik von ihm ist auf die amerikanischen Interessen zugeschnitten. Daher haben die USA Erdogan dazu gedrängt, sich mit Russland zu versöhnen, das den Amerikanern in Syrien wertvolle Dienste leistet und einen Schlussstrich unter den Abschuss des russischen Flugzeugs zu ziehen, was sich als Versehen herausgestellt hat. Jeder merkte, dass die USA mittels der Türkei und Russland die Situation in Syrien kontrollieren und durch sie verhindern konnten, dass das Assad-Regime fällt, bevor eine Alternative bereitsteht und wie die europäische Rolle unterging bzw. so gut wie verschwand.

     Am 01.03.2020 verkündete die Türkei, dass sie als Reaktion auf Angriffe, die Ankara schwere Verluste einbrachten, eine Militäroperation gegen das syrische Regime in Idlib, im Nordwesten Syriens, gestartet habe. Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar sagte, die Operation „Schutzschild Frühling“, die nach dem abscheulichen Anschlag in Idlib am 27. Februar gestartet wurde, werde mit Erfolg fortgesetzt. Er fügte hinzu, dass Ankara „weder die Absicht noch den Wunsch hat, mit Russland in eine Konfrontation zu treten“, das das syrische Regime unter Bashar al-Assad unterstütze.

     Das intensive Bemühen Erdogans war deutlich, und zwar dahingehend, die Inhalte des Sotschi-Abkommens umzusetzen und die internationalen Highways zu öffnen und somit alles, was an systematischer Zerstörung und Vertreibung damit einhergeht, einschließlich der Verlust aller Städte und Dörfer entlang der Straßen zugunsten des Assad-Regimes (mit offiziellem türkischem Eingeständnis). Und danach setzte die türkische Verblendungstaktik ein, um den Menschen glauben zu machen, man wolle was Gutes, bis sich dann herausstellt, dass die Rolle der Türkei darin aussieht, einzig jede aufrichtige Aktivität gegen die verbrecherische Assad-Junta zu überwachen…Dann folgen die tollwütigen, ununterbrochenen Luftangriffe und die Vertreibungen, um den Willen der Umma zu brechen und sie der politischen Lösung zu unterwerfen, deren Architekt die USA sind. Erdogan eilt dann herbei als Ventil der angestauten Wut. Zwischenzeitlich brechen vorübergehende lächerliche Meinungsverschiedenheiten aus, um den Verrat zu verschleiern. Denn die Türkei erklärt unmissverständlich und ohne Scham, dass sie Druck auf die Russen ausübt, damit sie zu den Sotschi-Bedingungen zurückkehren, um den Russen all das zu legitimieren, was ihnen vorher und währenddessen ausgehändigt wurde. Gleichzeitig werden offizielle Erklärungen über das hohe Maß an Zusammenarbeit und an wachsendem Handelsaustausch von beispiellosem Niveau zwischen der Türkei und Russland abgegeben - als wären wir die Ware! Dann kommt die Aufführung der türkischen Bombenabgriffe auf das Regime, die nicht mehr sind, als der Versuch, die sinkenden „Aktien“ Erdogans wieder nach oben zu treiben und die Menschen erneut dazu zu bewegen, sich an seine vergifteten Seile zu klammern. Die Fragen, die nun gestellt werden müssen, sind: Wo sind die Deeskaltionszonen von einst (die unter Schutz der Garantiemacht standen) geblieben? Wo sind deren Bewohner? Hat nicht das Regime die Kontrolle dort übernommen und die Bewohner in den Norden vertrieben?

     Der russische Staat ist ein Feind des Islam und der Muslime. Er hat sie in Tschetschenien und in Afghanistan getötet. Und er tut das Gleiche heute in Syrien. Es gibt keine Rakete und keine Waffe, die Russland nicht an den Frauen, Greisen und Kindern getestet hätte. Die Massaker an den Muslimen werden dauern an – überall in Syrien. Allah (t) hat uns davor gewarnt, uns auf die Feinde und Unterdrückern zu verlassen. Und er hat jenen mit dem Höllenfeuer gedroht, die sich nicht daran halten. Allah (t) sagt:

وَلَا تَركَنُواْ إِلَى ٱلَّذِينَ ظَلَمُواْ فَتَمَسَّكُمُ ٱلنَّارُ وَمَا لَكُم مِّن دُونِ ٱللَّهِ مِن أَولِيَاءَ ثُمَّ لَا تُنصَرُونَ

Und neigt euch nicht zu den Ungerechten, damit euch das Feuer nicht erfasse. Und ihr werdet keine Beschützer außer Allah haben, noch wird euch geholfen werden. (11:113)

Welchen Islam möchte Erdogan:

     In einer Rede, die er anlässlich des Weltfrauentages am 08. März 2018 hielt, sagte Erdogan: „Der Islam kann nicht durch Gesetze umgesetzt werden, die vor 14 und 15 Jahrhunderten erlassen wurden. Die Umsetzung des Islam variiert je nach Ort, Zeit und Umständen. Und hier liegt die Schönheit des Islam.“ Wenn das die Ansicht Erdogans über den Islam ist und dass der Islam der Zeit angepasst werden müsste, von welschem taddaruj (schrittweise Einführung des des Islam) sprechen dann die von ihm Verblendeten!? Und welches Kalifat könnte Erdogan eines Tages wohl errichten?! Er hält in seinem Land ein säkulares System aufrecht, das nicht den geringsten Bezug zum Islam hat, ein System, das auf dem gleichen Fundament steht , wie das der ungläubigen, kapitalistischen Staaten. Und was das Bild noch viel deutlicher zeigt: Die Bewohner der Türkei, die mehrheitlich Muslime sind, leben ihr Leben entsprechend ihrer Überzeugung und ihren Konzepten (mafahim) über das Leben, darunter die Muslime. Allerdings geschieht dies auf Grundlage der Trennung der Religion vom Staat. Wenn ein Muslim also Alkohol trinkt, zina begeht, tötet oder vom Islam abkehrt, werden auf ihn nicht die islamrechtlichen Strafgesetze und die hudud angewendet. Wir sehen sogar, dass in einigen türkischen Touristengebieten der sogenannte Sextourismus floriert. Erdogan sieht sich als Herrscher islamrechtlich nicht dazu verpflichtet, die erforderliche Maßnahme zu treffen und dies zu verbieten. Was das Regieren betrifft, so läuft alles so weiter, wie es vor Erdogans Erscheinen lief und ganz nach „Atatürks“ Regierungsmethode. Was sich unterscheidet, ist ein Aspekt: „Atatürk“ hatte einen Laizismus praktiziert, der religions- und vor allem islamfeindlich war. So hat er, wie wir wissen, den Gebetsruf auf Arabisch verboten, zahlreiche Moscheen geschlossen, den Hijab verboten und den Koran ins Türkische übersetzen lassen. Erdogan hingegen adaptierte einen Laizismus, der der Religion nicht feindlich gegenüberstand. Und da die Mehrheit Muslime sind, hatte diese Wandlung eine „positive“ Wirkung auf die Herzen der Muslime. Die Akzeptanz unter den Muslimen in der Türkei war groß, besonders da sie im Laufe der Regierungszeit Erdogans, ihre religiösen Rituale und gottesdienlichen Handlungen praktizieren durften, die ihnen bis bis dato untersagt waren. Er ließ für sie zahlreiche geschlossene Moscheen öffnen. Er fand auch bei den Muslimen überall auf der Welt breite Akzeptanz. Sie fassten diesen Wandel als den islamrechtlich geforderten Wechsel auf und zählten auf ihn, dass er die erhoffte islamrechtliche Veränderung herbeiführen würde. Was sie noch mehr an ihm festhalten ließ, war der Umstand, dass die laizistischen Kreise ihn bei jedem seiner Schritte feindselig beobachteten und jede seiner Maßnahmen sorgenvoll verfolgten. Sie betrachteten ihn als jemanden, der das Erbe „Atatürks“ zerstören wollte. Und weil die Position der einfachen Muslime auf Reaktionen beruhte, haben sie sich noch mehr an Erdogan geklammert und noch stärker zu ihm gehalten. Das spiegelte sich in seinen Erfolgen bei den Wahlen wider und in ihrer Unterstützung bei seinem Vorgehen gegen das Militär und während des Putschversuchs. Wer die Dimension der Inhaftierungen, Verfolgungen und Entlassungen verfolgt hat, die Erdogan gegen seine politischen, militärischen, medialen und intellektuellen Gegner im Land vergenommen hat, spürt das Ausmaß seiner enormen Anstrengungen zur Konsolidierung seiner Macht und der Verfestigung seiner Befugnisse im Land. Auch die Befugnisse, die er nach den letzten Wahlen und nach der Verfassungsänderung für sich gewinnen konnte, demonstrieren die Dimension seiner Macht und Stärke, die er im Land besitzt. Angesichts dieser Macht und dieser Vollmachten, derer sich Erdogan erfreut, ist es umso schlimmer, wie Erdogan den Islam und die Muslime im Stich lässt. Das Herrschaftssystem in der Türkei ist noch immer säkular. Vielmehr noch, sein System bekämpft die Verfechter des Islam und steckt sie für viele Jahre ins Gefängnis. Diskutiert man mit denjenigen, die den Islam lieben, jedoch auf die Betrugsmasche Erdogans hereingefallen sind, über den Grund des Nichtregierens Erdogans mit dem Islam - wenn er schon den Islamisten zuzurechnen ist -, so antworten sie: „Erdogan kann die Veränderung nicht auf einmal schaffen. Er hat viele Gegner!“

     Hier stellt sich die größte Frage: Erdogan war in der Lage, zehntausende seiner politischen und militärischen Gegner zu bezwingen und zehntausende andere zu verfolgen und sich einiger Generäle und hochrangiger Militärs zu entledigen. Und noch immer verfolgt er wie wild seine Widersacher. Und all das, um seiner Person oder um seiner Partei willen. Hätte der ehrwürdige Islam es nicht verdient, etwas von dem, was er für sich selbst und die Partei getan hat, auch für den Islam zu tun?! Er war fähig, all das für sich und sein Prestige zu tun, ist aber nicht fähig, dies auch für den Islam zu tun, der der Grund dafür ist, dass das Volk ihn gewählt hat?! Zweifellos ist die Antwort darauf sehr einfach für diejenigen, die die Wahrheit sehen wollen: Erdogan will den Islam nicht implementieren und er strebt es auch nicht an. Er kleidet sich nur mit dem Islam, um die Muslime zu täuschen und den Verschwörungen der Kolonialisten in den Ländern der Muslime zum Erfolg zu verhelfen unter dem Banner, das die Massen lieben und ersehnen. Und das ist der Islam. Und wir sagen dies nur als:

تَبصِرَة وَذِكرَىٰ لِكُلِّ عَبد مُّنِيب

Als Aufklärung und Ermahnung für jeden Diener, der sich bekehrt. (50:8)

Quelle: Al-Waie /Ausgabe 408/Muharram al-Haram 1442, n. H./September 2020

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