Freitag, 18 Ramadan 1445 | 29/03/2024
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بسم الله الرحمن الرحيم

Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen
 
Antwort auf eine Frage

Die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen den libyschen Konfliktparteien

Frage:

Am Montag, den 23.11.2020 wurde in einer zweiten, virtuell tagenden Gesprächsrunde, der Dialog zwischen den libyschen Fraktionen wiederaufgenommen. Der Fokus der Gespräche lag besonders auf die Mechanismen der Kandidatur für eine neue Regierung und einen neuen Präsidialrat. Die erste Sitzung der Gespräche fand am Sonntag, den 15.11.2020 statt. In bestimmten Punkten, so wurde gemeldet, sei man zu einer Einigung gekommen, während andere noch ungeklärt blieben. Dieser Dialog begann parallel zu Gesprächen, die ebenfalls zwischen libyschen Fraktionen geführt wurden und in Marokko stattfanden. Wer steckt hinter diesem Krieg der Dialoge? Wurden wichtige Ergebnisse erzielt, die eine Lösung für die Libyen-Krise bringen könnten? Wie sehen die internationalen Positionen dazu aus?

Antwort:

Zur Beantwortung der Frage müssen folgende Punkte angeführt werden:

1. Die Türkei unterstützte Fayez al-Sarraj so lange, bis dessen Streitkräfte die Truppen Haftars zurückschlagen und aus der Hauptstadt Tripolis bis nach Sirte und Jufra zurückdrängen konnten. Danach forderte die Türkei al-Sarraj auf, einen dauerhaften Waffenstillstand zu akzeptieren und sich auf den Dialog und Verhandlungen mit der Gegenseite einzulassen, der Seite also, die die Türkei als Meuterer und als illegitim ansieht! Aus diesem Grund reiste der türkische Außenminister am 17.06.2020 in die Hauptstadt Tripolis, um sich mit Fayez al-Sarraj, dem Chef der Einheitsregierung, zu treffen. Er erklärte daraufhin: „Wir haben über die Wege der Realisierung eines dauerhaften Waffenstillstandes und einer dauerhaften politischen Lösung in Libyen gesprochen.“ (Anadolu, 18.06.2020) Die Türkei intervenierte also nicht zum Interesse al-Sarrajs und seiner Regierung, sondern um sie so weit unter Druck zu setzen, dass sie die gegnerische Seite akzeptieren. Denn die Türkei dreht sich ganz offen im amerikanischen Kosmos.Die USA ihrerseits haben öffentlich erklärt, die Schritte der Türkei in Libyen zu unterstützen, was mit anderen Worten bedeutet, dass die Aktivitäten im Sinne der USA erfolgen. So wurde in einem Telefonat vom 08.06.2020 zwischen Präsident Trump und seinem Amtskollegen Erdogan die Libyen-Frage erörtert. Erdogan teilte dann mit, dass man „an einer türkisch-amerikanischen Initiative zur Beilegung der Libyen-Krise“ arbeite. In einem Interview gegenüber dem staatlichen Fernsehsender TRT sagte er im Anschluss an das Telefongespräch, dass „Vereinbarungen mit Trump getroffen wurden“ und verwies auf die „mögliche Formulierung einer gemeinsamen Initiative beider Länder“ für Libyen, ohne weitere Details zu nennen. Auch die Äußerungen des türkischen Außenministers Mevlut Cavusoglu gegenüber dem türkischen FernsehsenderTNV am 11.06.2020 legen dies nahe. So sagte er: „Türkische und amerikanische Offizielle werden die möglichen Schritte erörtern, wie sie von Präsident Erdogan und seinem Amtskollegen Trump in dem Telefongespräch vom 8.6.2020 vereinbart wurden.“ Auch er erwähnte, dass eine „türkisch-amerikanische Initiative bezüglich Libyen“ beschlossen werden könnte. Das alles unterstreicht die Tatsache, dass die Türkei in Libyen US-Politik umsetzt – und nichts anderes.

2. Nachdem al-Sarraj darin gescheitert war, die Kontrolle über Sirte und Jufra zu bekommen, weil die türkische Unterstützung abbrach, geriet er unter Druck, wobei er darauf gedrängt hatte, beide Städte einzunehmen, um Haftar zu Fall zu bringen. Und er stand auch kurz davor, wäre die Unterstützung von türkischer Seite nicht gestoppt worden. So wurde er unter Druck gesetzt, einen Waffenstillstand zu akzeptieren und sich auf Verhandlungen mit der gegnerischen Partei einzulassen. Doch um Erdogan in Verlegenheit zu bringen, kündigte Fayez al-Sarraj seinen Rücktritt für Ende Oktober (2020) an. In einer Rede, die vom libyschen Staatsfernsehen am 16.09. übertragen wurde, erklärte er: „Ich erkläre allen meinen aufrichtigen Wunsch, meine Aufgaben bis spätestens Ende Oktober an eine neue exekutive Autorität zu übergeben (…) in der Hoffnung, dass das Gesprächsteam seine Arbeit abschließt und einen neuen Präsidialrat und Regierungschef wählt.“ Er räumte ein, unter Druck gestanden zu haben, indem er hinzufügte: „Der Zustand der Polarisierung hat alle Diskussionen für eine friedliche Beilegung mühselig und äußerst kompliziert gemacht.“ Er warf Parteien, die er nicht näher benannte, vor, auf die Option eines Krieges zu setzen und betonte, dass seine Regierung seit ihrer Bildung in keiner, nicht mal annähernd natürlichen Atmosphäre gearbeitet habe und sie täglich internen und externen Verschwörungen ausgesetzt gewesen sei. Dabei ist bekannt, dass al-Sarraj das Amt des Premierministers der libyschen Regierung übernahm, für deren Zustandekommen die Briten gesorgt haben, und zwar in Tunesien. Direkt nach Unterzeichnung des Skhirat-Abkommens 2015 wurde die neugebildete Regierung nach Libyen verlagert. Ohne Veranlassung aus Europa, besonders aus Großbritannien, würde al-Sarraj also nicht zurücktreten.

3. Erdogan nahm die Nachricht über die Rücktrittsabsichten al-Sarrajs mit Besorgnis auf und betonte, dass er sich noch vergangene Woche mit al-Sarraj in Istanbul getroffen hätte. „Natürlich ist für uns eine solche Entwicklung und eine solche Nachricht nach jenem Treffen bedauerlich“, erklärte der türkische Präsident und verwies darauf, dass es in der kommenden Woche zu einem Treffen zwischen einer türkischen Delegation und einer Delegation der Einheitsregierung kommen werde. „Mit diesem Treffen werden wir, so Allah will, die Dinge in die erforderliche Richtung lenken.“ (Anadolu und Reuters, 18.09.2020) Am Ende nahm al-Sarraj den Rücktritt zurück. Am 30.10.2020 meldete Aljazeera: Der Vorsitzende des libyschen Präsidialrates, Fayez al-Sarraj, gab am heutigen Freitag bekannt, dass er den Forderungen nachkomme, seinen Entschluss zum Rücktritt von seinem Amt bis Ende Oktober aufzuheben. Das teilte der Sprecher al-Sarrajs, Ghalib al-Zaqlai, in einer Erklärung mit, die er auf seinem Twitter-Account verbreitete und vom staatlichen Sender „Libya“ auf seiner offiziellen Facebook-Seite veröffentlicht wurde. (Aljazeera, 30.10.2020) Europa war gezwungen, der Aufhebung der Rücktrittsabsichten al-Sarrajs zuzustimmen und den Anschein zu erwecken, sich nicht Erdogan gebeugt zu haben, sondern dass es der eigenen Auffassung entspreche. Daher konnte man auf der gleichen Quelle ebenfalls lesen: Der deutsche Außenminister Heiko Maas bat am heutigen Freitag al-Sarraj darum, für die Dauer des Dialogforums vorerst noch in seinem Amt zu verbleiben. Das erfolgte in einem Telefongespräch zwischen Maas und al-Sarraj, in welchem die jüngsten Entwicklungen in Libyen erörtert wurden, so eine Erklärung, die die libysche Regierung über Facebook verbreitete. Der Bundesaußenminister sagte in dem Telefongespräch, der Verbleib al-Sarrajs in seinem Amt sei „wichtig“, um in diesen entscheidenden Wochen (…) Kontinuität an der Spitze der libyschen Regierung zu gewährleisten. (Aljazeera, 30.10.2020)

4. Anstatt also Erdogan mit seinem Rücktritt in Verlegenheit zu bringen, war al-Sarraj genötigt, von diesem Schritt wieder abzurücken! Doch selbst nachdem al-Sarraj seinen Rücktritt wieder zurückgenommen hatte, telefonierte Erdogan mit ihm, um zu wiederholen, dass seine Entscheidung zum Rücktritt nicht richtig war! Die türkische Nachrichtenseite „Khabar 7“ berichtete am 07.11.2020, dass diplomatischen Quellen zufolge Erdogan al-Sarraj zu verstehen gegeben habe, dass die von ihm getroffene Entscheidung zum Rücktritt, nicht korrekt gewesen sei. Dies würde dazu beitragen, dass das Gleichgewicht sich zugunsten derjenigen Seiten verändert, die dem libyschen Volk feindlich gesonnen sind.

5. Was die russische Intervention betrifft, so erfolgt sie mit dem grünen Licht der USA, denn sie findet in Absprache mit der Türkei statt. Russland versucht eine neutrale Position zwischen den beiden Konfliktparteien einzunehmen und als Vermittler aufzutreten, obwohl es zur Unterstützung Haftars Söldner dorthin schickte, was allerdings von Moskau dementiert wird. Es handelt sich jedoch um Söldner der russischen Sicherheitsfirma „Wagner“, die enge Verbindungen zu Präsident Putin hat! Die Russen sind nicht gewillt, ihre Kontakte zur Sarraj-Regierung abzubrechen, um Einfluss auf sie ausüben zu können. Nur so können sie der ihnen zugewiesenen Rolle gerecht werden und an den Libyen-Verhandlungen teilhaben. Aus diesem Grund erklärte der Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten für den Nahen Osten und Nordafrika, Mikhail Bagdanov: „Moskau arbeitet eng mit allen einflussreichen internationalen Akteuren einschließlich der Türkei zusammen, wobei die besonderen Beziehungen zu den Behörden von Tripolis zum Tragen kommen.“ Er lobte die russisch-türkische Zusammenarbeit in Libyen und ‚war der Ansicht‘, dass die am 13.01.2020 von den beiden Präsidenten angekündigte Initiative eine positive Rolle bei der Verkündung eines Waffenstillstandes gespielt habe. Das habe den angemessenen Rahmen für das Zustandekommen der Berliner Konferenz geschaffen. (Al-Ahram, 20.07.2020)

6. Und so riefen die USA in Person ihres Außenministers Pompeo am 10.06.2020 zu einer sofortigen Feuerpause in Libyen auf und zu einem Ende jeder ausländischen Einmischung in Libyen und forderten die Rückkehr an den Verhandlungstisch. Wörtlich sagte er : „Die Vereinbarung zwischen der GNA, der Regierung des Nationalen Abkommens, und der LNA (der Libyschen Nationalarmee, der Armee Haftars), wieder an den UN-Sicherheitsgesprächen teilzunehmen, ist ein erster guter und sehr positiver Schritt. Gefordert ist nun der Beginn schneller Verhandlungen, die mit gutem Willen zur Umsetzung des Waffenstillstands geführt werden und die Wiederaufnahme der UN-geführten libyschen politischen Gespräche“. (Sky News, 10.06.2020) Von den USA wurde die jüngste Einigung beider Konfliktparteien auf einen Waffenstillstand begrüßt. Denn US-Außenminister Pompeo sagte dazu am 26.10.2020: „Das Waffenstillstandsabkommen zwischen den kriegführenden libyschen Fraktionen ist ein mutiger Schritt. Alle ausländischen Kämpfer haben gemäß dieser Vereinbarung Libyen innerhalb von 90 Tagen zu verlassen.“ Er fuhr fort: „Wir befürworten die Übertragung der Macht in Libyen auf neue Exekutivbehörden zur Vorbereitung auf die Wahlen.“ Die UN-Unterstützungsmission für Libyen teilte am 23.10.2020 mit, dass die beiden Konfliktparteien nach fünftägigen Gesprächen bei den Vereinten Nationen ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet hätten. (Reuters, 23.10.2020) Die Intervention der USA erfolgt auf diplomatischem und politischem Wege direkt in Libyen unter dem Deckmantel der Vereinten Nationen, um das Heft in die Hand zu nehmen und den Europäern und vor allem den Briten die Kontrolle unter den Füßen wegzureißen.

7. Und weil das, was in Libyen geschieht, ein von militärischen Aktionen durchzogener politischer Konflikt ist, fand ein Wettlauf der Treffen statt, in denen die Konfliktparteien zusammengebracht wurden, um Dialoge zu führen und sich zu einigen - oder vielmehr, um diktierte Abkommen zu unterzeichnen. Großbritannien hat in der marokkanischen Stadt Bouznika den sogenannten Libyschen Dialog zwischen Delegationen organisiert, die den in Tripolis ansässigen Hohen Staatsrat(HCS) und das in Tobruk ansässige Repräsentantenhaus (HoR) vertreten. Dieser Dialog sollte in drei Gesprächssitzungen ablaufen. Die erste Runde fand zwischen dem 6. und 10. September 2020, die zweite zwischen dem 2. und 6. Oktober2020 und die dritte am 5. November 2020 statt. Die beiden Delegationen unterzeichneten einen Vereinbarungsentwurf über die Mechanismen zur Auswahl der Führungsämter. Dass hinter diesen Treffen Großbritannien steckte - vertreten durch seine Vasallen –, war offensichtlich. In den Unterredungen ging es um das Zustandekommen einer Übereinkunft gemäß Artikel 15 des Abkommens von Skhirat, das am 17.12.2015 unterzeichnet worden war. Von Seiten der Tripolis-Regierung wurde das Vereinbarungsprotokoll vom Delegationsleiter des Hohen Staatsrates, Fawzi al-Uqab, und von Seiten des Tobruk-Parlaments von dessen Delegationschef, Yousuf al-Aquri, nahe der Hauptstadt Rabat unterzeichnet. Artikel 15, Absatz 1 besagt: Das Repräsentantenhaus berät sich mit dem Staatsrat, um einen Konsens über die Verteilung folgender souveräner Positionen zu erzielen: Den Gouverneur der Libyschen Zentralbank, den Präsidenten des Rechnungshofs, den Leiter der Verwaltungskontrollbehörde, den Leiter der Antikorruptionsbehörde, den Präsidenten der hohen Wahlkommission sowie deren Mitglieder, den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs und den Generalstaatsanwalt.“ Absatz 2 von Artikel 15 besagt, „dass die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Repräsentantenhauses für die Besetzung dieser Ämter erforderlich ist“. Die beiden Gesprächspartner trafen sich zur ersten Sitzung zwischen dem 6. und dem 10. September. Sie erzielten eine umfassende Einigung über den Mechanismus zur Übernahme der Führungsämter und über die Wiederaufnahme der Sitzungen, um die Verfahren der Vereinbarung und deren Umsetzung abzuschließen.

8. Doch um alle Karten neu zu mischen, brachten die USA die stellvertretende UN-Sonderbeauftragte Stefanie Williams, eine US-Diplomatin, in Stellung. Sie lud parallel zu den Marokko-Gesprächen in Bouznika zum libyschen Forum für den politischen Dialog ein, das unter dem Motto „Libya first“ am 09. November 2020 in Tunesien mit einer Verhandlungsrunde zwischen den libyschen Konfliktparteien begann. An den Gesprächen nahmen 75 politische von den Vereinten Nationen ausgewählte Persönlichkeiten Libyens teil, die unter der Schirmherrschaft der UNO geführt wurden. Die Dialogrunde bestand aus Abgeordneten und Mitgliedern des Hohen Rates sowie aus Honoratioren und Vertretern der drei Regionen Tripolis, Barqa und Fezzan. Williams erklärte am Abend des 15.11.2020: „Die Runde der direkten libyschen Gespräche in Tunesien wurde mit sehr positiven Ergebnissen beendet. Ein Online-Treffen des LPDF wird bereits nächste Woche stattfinden. Die positiven Ergebnisse bestehen in der Festlegung eines Wahltermins und in der Eingrenzung der Kompetenzen der Exekutivbehörde sowie der Zulassungskriterien der Kandidatur für den Präsidial- und Regierungsrat. Am siebten Tag erzielten die Teilnehmer des libyschen Dialogforums einen Konsens zu drei zentralen Themen. Das Erste ist die Festlegung des Wahltermins auf den 24. Dezember 2021, der mit einem historischen Tag für die Libyer zusammenfällt, nämlich dem Tag der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1951. (…) Zudem wurden die Kompetenzen der Exekutivbehörde und die Auswahlkriterien für den Präsidialrat definiert, der einfache Verantwortungsbereiche übernehmen soll, darunter die Arbeit an einer nationalen Aussöhnung. Er soll sich aus drei Mitgliedern zusammensetzen, die die Regionen des Südens, des Ostens und des Westens vertreten. (…) Der dritte Schwerpunkt, zu dem die Teilnehmer einen Konsens erzielten, besteht im Zuständigkeitsbereich der Regierung, der auf die Erbringung von Dienstleistungen für das libysche Volk beschränkt sein wird, wie die Versorgung mit Wasser, Strom und anderen Dingen. (…) Präsidialrat und Regierung werden zwei separate Strukturen in ihrer Arbeit bilden. Die für diese Positionen ausgewählten Personen werden für einen kurzen Zeitraum tätig sein und aus Technokraten, bestehen, „die keiner Partei angehören“. Es gibt weiterhin viel zu tun. (…) Zehn Jahre der Auseinandersetzung können unmöglich in einer Woche gelöst werden. (…) Die Teilnehmer haben sich darauf geeinigt, sich in einer Woche per Online-Konferenz wieder zu treffen, um die Mechanismen für die Auswahl eines Rechtsausschusses zu bestimmen und eine verfassungsrechtliche Grundlage für die Wahlen festzulegen, was eine Frage der Souveränität sein wird“. (Anadolu, 16.11.2020) Williams hat das Skhirat-Abkommen vollkommen ignoriert. Es ist, als würde sie wieder bei Null anfangen, wenn sie meint: „Zehn Jahre der Auseinandersetzung können unmöglich in einer Woche gelöst werden.“ Sie rollt sämtliche Akten wieder auf, um das Skhirat-Abkommen inoffiziell außer Kraft zu setzen, um den britischen Einfluss zu schwächen, bis er – wenn möglich – ganz verschwunden ist oder zumindest unter Kontrolle ist, sollte er nicht ganz beseitigt werden können.

9. Die amtierende UN-Beauftragte Williams drohte denjenigen, die den Dialog behindern, mit Sanktionen und warnte: „Diejenigen, die versuchen, den Dialogteilnehmern Geld anzubieten, werden als Saboteure des Dialogs eingestuft, und es werden Ermittlungen eingeleitet, sollte es Informationen über Bestechungen und Stimmenkauf geben.“ Sie verwies darauf, dass es für den Fall der Schmiergeldzahlung für politische Zwecke einen Verhaltenskodex gebe und erklärte: „Der Vorschlag, die beteiligten Personen von den Positionen auszuschließen, wurde nicht angenommen, erreichte jedoch 61 % der Stimmen. Um einen Konsens dafür zu erreichen, wären 75 % nötig. (Al-Sharq al-Awsat, 17.11.2020) Williams agiert de facto als Repräsentantin amerikanischer Politik, jedoch unter dem Namen der UN-Beauftragten. Die USA stützten selbst über ihr Repräsentantenhaus die Entscheidung der UN-Beauftragten, als es dem sogenannten „Libya Stabilization Act“ zustimmte. Dieser Gesetzesentwurf unterstreicht „die Wichtigkeit des von den Vereinten Nationen geleiteten Dialogs bezüglich Libyen“ hervor. Das Gesetz fordert die Verhängung von Sanktionen gegen Personen oder Organisationen, die libysche Ölressourcen oder Finanzinstitutionen illegal ausnutzen. Daneben werden diejenigen stärker zur Rechenschaft gezogen, die Menschenrechtsverletzungen begehen. (Sky News, 19.11.2020)

10. Unter der Ägide der UN-Beauftragten fanden zudem Verhandlungen zwischen Delegationen der 5+5 Joint Military Commision (JMC) statt. Dieses Format ging aus der Berliner Libyen-Konferenz hervor. Am 04.11.2020 teilte Stephanie Williams mit, dass eine Vereinbarung zu den Inhalten des Abkommens erzielt worden sei und erläuterte, dass 12 Punkte der Umsetzung des Waffenstillstands gelten. Der Wichtigste sei die Bildung von militärischen Unterausschüssen, die die Rückkehr aller ausländischen Kräfte in ihre Heimatländer und den Abzug der Truppen beider Parteien aus Sirte und Jufra überwachen sollen. Das soll gemäß dem am 23.10.2020 in Genf unterzeichneten Abkommen geschehen. Sie legte einen Zeitraum von 90 Tagen fest, innerhalb dessen alle ausländischen Kämpfer libyschen Boden verlassen haben sollen. (Reuters, 23.10.2020) Erdogan kommentierte: „Wir wissen nicht, ob Söldner wie die der Firma Wagner innerhalb von drei Monaten aus Libyen abziehen werden oder nicht.“ (Reuters, 23.10.2020) Das sagt er, während er in Libyen mit Russland kooperiert! Russland wird hingegen von den USA nicht unter Druck gesetzt, diese Söldner und andere Kräfte abzuziehen, bis Amerika seine Ziele in Libyen und in der Region erreicht hat, ähnlich wie in Syrien.

11. Zusammengefasst lässt sich aus den Erläuterungen und Ausführungen schlussfolgern:

a) Die Regierung al-Sarrajs wollte die türkische Unterstützung für die Realisierung des europäischen, respektive des britischen Projektes, nutzen. Und das, um Haftar das Genick zu brechen und die Kontrolle über dessen Einflussgebiete, besonders über Sirte und Jufra, zu erlangen. Doch die türkische Unterstützung al-Sarrajs war ein Dienst an den USA und deren Projekt. Sobald die Truppen al-Sarrajs Sirte und Jufra erreicht hatten, brach die Unterstützung der Türkei für al-Sarraj ab. Sie verlangte von ihm, einem Waffenstillstand zuzustimmen und zum Dialog und zu Verhandlungen mit dem gegnerischen Lager zurückzukehren, d. h. mit Haftar, den sie selbst als illegitim und als einen Aufrührer betrachtet! Al-Sarraj war ernüchtert. Mit der Ankündigung seines Rücktritts wollte er Präsident Erdogan in Verlegenheit bringen, doch um das zu verhindern, setzte die Türkei ihn unter Druck. Und als die Europäer merkten, dass der türkische Druck auf Sarraj immer größer wurde und weil sie nicht dastehen wollten, als hätten sie sich dem Druck Erdogans gebeugt, taten sie so, als wäre die Rücknahme des Rücktritts al-Sarrajs auch Europas Wunsch gewesen. Denn es wäre ganz im Sinne Großbritanniens und Europas, wenn Sarraj bliebe, obwohl sie es waren, die hinter Sarrajs Abdankung steckten!

b) Diese Dialoge sind künstlich kreiert. Sie werden von den aktiven Großmächten ins Leben gerufen, um die Länder in Geiselhaft zu nehmen. Sie lösen deren Probleme oder verkomplizieren sie und zwingen die verschiedenen Parteien, ihre Lösungen umzusetzen, um so ihre Hegemonie auf diese Länder auszudehnen. Denn in Wahrheit dienen sie nicht dazu, das Problem richtig zu lösen. So ist das Skhirat-Abkommen ein Paradebeispiel. Großbritannien strengte sich an, dieses Abkommen durchzusetzen und widmete sich umgehend der Bildung einer Regierung unter al-Sarraj. Die Marokko-Gespräche, die jüngst in Bouznika stattfanden, waren der Versuch der Briten, weitere Punkte des Skhirat-Abkommens umzusetzen. Doch parallel ließ die US-Diplomatin Williams, die im Gewand einer Uno-Sondergesandten agiert, Treffen zwischen den Konfliktparteien durchführen, um den Waffenstillstand zu untermauern. Diese fanden in Genf, dann im libyschen Ghadames und anschließend in Tunis statt, bis man sich darauf einigte, die Wahlen in einem Jahr durchzuführen. Und so setzen die USA all ihre Handlanger ein, um der Mission der amerikanischen Diplomatin zum Erfolg zu verhelfen, damit es ihr gelingt, Großbritannien den Teppich unter den Füßen wegzuziehen und den Konflikt nach Belieben zu lenken und zu steuern.

c) Die beiden Hauptakteure, die USA und Großbritannien, werden die Projekte des jeweils anderen weiter sabotieren, um dessen Plan zum Scheitern zu bringen und das eigene Projekt durchzusetzen. Daher ist es abwegig, dass diese Staaten eine Lösung herbeiführen werden, die dem libyschen Volk Schutz und Sicherheit garantiert. Selbst wenn Wahlen stattfinden sollten, werden sie zu keiner endgültigen, sicheren Lösung führen. Vielmehr wird der Konflikt so lange anhalten, bis es entweder den USA oder den Europäern gelingt, die Hegemonie über Libyen zu erlangen, während die Libyer das Kanonenfutter dieses Konfliktes sind! Die Bewohner Libyens müssen all diese Verschwörungen ablehnen und dürfen nicht diesem oder jenem Staat bzw. diesem oder jenem Vasallen hinterherlaufen. Sie müssen sich dafür einsetzen, diesen Leuten das Heft aus der Hand  zu nehmen und es den reinen Händen jener zu übergeben, die aufrichtig sind, über ein politisches Bewusstsein verfügen und den Reihen der Umma entstammen. Sie müssen dafür arbeiten, Libyen darauf vorzubereiten, Teil des islamischen Staates zu werden, der alle Länder des Islam umschließt. Es ist der Staat des rechtgeleiteten Kalifats nach dem Plane des Prophetentums, das der Gesandte Allahs (s) als Frohbotschaft vorausgesagt hat:

«ثُمَّ تَكُونُ خِلَافَة عَلَى مِنْهَاجِ النُّبُوَّةِ»

Sodann wird ein Kalifat nach dem Plane des Prophetentums entstehen.

10. Rabīʿ al-Āḫir 1442 n. H.
25.11.2020 n.Chr.
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